Torres del Paine

Du weißt nicht wie weit deine Kräfte gehen, 

bis du es versucht hast.

Puerto Natales

Martin, ein erfahrener Trekker und Hobbyfotograf, und ich lernten uns während meiner Rucksackreise durch Südamerika kennen. Die Sympathie stimmte und die Euphorie erstmals im Nationalpark Torres del Paine zu wandern, teilten wir in fortwährenden Gesprächen. In Puerto Natales, dem Trekker Hub und der Anlaufstelle für den Park, angekommen, checkten wir gemeinsam im Hostel Kawaskar ein. Wir konnten es nicht verbergen, unsere Vorfreude auf die Wanderung im Circuit stieg minütlich! Der Circuit oder auch oft nur als „O“ bezeichnet, beschreibt eine mehrtägige Rundwanderung im ca. 2400km² großen Nationalpark. Das "O" schließt auch das Torres del Paine "W" - eine kürzere Wanderung - mit ein, und umfasst eine Länge von mindestens 110km.

Vorbereitung

Zweifel kamen auf. Was ist wenn ich die Wanderung nicht schaffe? Der Weg zu weit, zu hoch, zu steil? Der Rucksack zu schwer, ich zu schwach? Martin redete mir gut zu und lenkte mich mit den notwendigen Vorbereitungen immer wieder geschickt ab. Was nehmen wir mit? Mindestens 9 Tage werden wir unterwegs sein! Wie teilen wir uns die Etappen ein? Nach sorgfältiger Planung starteten wir mit dem Wichtigsten - Essen kaufen! Suppenwürfel, Pasta, Reis, Instant Nudeln, Haferflocken, Müsli, Kekse, Käse, Kaffee, Milchpulver, Kakao, Trockenfrüchte, Nußmischungen, Schokolade usw. Alles wertvolle Energiespender, die uns für mindestens 6 Tage als Selbstversorger unterwegs sein lassen. Im Hostel liehen wir uns ein Zelt für 2 Personen und ich borgte mir noch eine Isomatte. Es ging ans Packen. Das alles sollte auch irgendwie in die Rucksäcke passen! Spät aber doch waren wir fertig. Da standen sie die zwei, mein Rucksack wog 16kg und Martin seiner gefühlte 35kg. Die restlichen Sachen wurden im Spint verstaut und alles andere bereitgelegt für morgen. Ich kann es kaum fassen!


Der Circuit

Tag 1 | ca. 12km

Heute ist es soweit – meine bisher längste Wanderung beginnt! Um 06:00 war Tagwache. Ich war aufgeregt und voller Freude zugleich. Anziehen, frühstücken und ab in den Bus (07:30). Nach einer angenehmen Fahrt, vorbei an schwarzhalsigen Schwänen und Guanakos erreichten wir den ca. 80km nördlicher gelegenen Parkeingang. Wir hatten Glück mit dem Wetter. Es war warm und die Sonne schien. Die ersten Meter mit dem riesen Rucksack auf den Schultern waren sehr anstrengend, doch die Umgebung war so wunderschön, dass ich das Gewicht am Rücken bald vergessen hatte. Wir wanderten durch offene Landschaft, vorbei an Bäche und durch weite Margeritenfelder, die immer wieder zum Verweilen einluden. Wir sahen viele Schwalben, Drosseln und sogar der Condor segelte vorbei. So friedlich und frei! 

Ca. 45 Minuten Gehzeit nach dem offiziellen Campingplatz Serón schlugen wir unser Zelt auf. In der Nähe war ein kleiner Wasserfall für das nötige Trinkwasser. Perfekt, dachte ich, die erste Schlafstelle war gesichert! Nach einem etwas außergewöhnlichen aber sehr leckeren Essen, nämlich Suppe mit Pasta, spielten wir noch eine illustre Runde Boccia mit Schiefersteinen. Als die Dämmerung einsetzte und bevor es endgültig zu regnen begann, huschten wir schnell in unsere Schlafsäcke!

Der Beginn einer faszinierenden Trekking Tour

Verweilen im Mageritenfeld

Die Marschgeschwindigkeit gefunden

Tag 2 | ca. 17km

Es sollte ein wunderschöner Tag für meinen Geburtstag werden! Bei streichelnden Sonnenschein genossen wir unser kräftigendes Frühstück - Haferflocken, warme Milch und Müsli. Wieder am Trail eingefädelt, folgte ein steiler Abstieg mit toller Sicht auf die darunterliegenden Seen. An deren Wasseroberfläche konnten wir die regelmäßig herannahenden Windböen genau im Auge behalten. Diese Vorwarnung war sehr hilfreich wie wir feststellten, denn die Windstöße konnten so stark sein und einen schon mal richtig ins Wanken bringen! Entlang am Lake Paine richteten wir unsere Mittagspause in einen der weitläufigen Margeritenfelder ein. Mit wunderschöner Bergkulisse im Hintergrund gönnten wir uns auch noch ein kurzes Mittagsschläfchen. Weiter ging es durch Moorlandschaften mit Sicht auf spektakuläre Felsformationen. Bei der Ankunft im Refugio erwarben wir zur Feier des Tages noch vier Bierdosen, bevor wir ein Stück weiter auch schon den nächsten perfekten Platz zum Übernachten fanden. Während ich zum Fluss waschen ging, kochte Martin bereits die Ravioli. Gemeinsam fanden wir uns zum Geburtstagsdinner ein und zelebrierten zum einen meinen Geburtstag, aber stießen zum anderen auch auf die wunderschöne Wanderung an. Kaum die erste Dose geleert, fühlten wir uns schon sehr beflügelt! Aus Liebe zum bevorstehenden Wanderabenteuer beschlossen wir die übrigen zwei Dosen besser in Reserve zu halten. Schummrig glücklich fielen wir in einen tiefen Schlaf! 

Tag 3 | ca. 9km

Wieder top fit ging es auf und ab durch einen Buchenwald voller Orchideen und vorbei an vielen schönen Aussichtspunkten. Wir marschierten jeder für sich, in Gedanken und der Natur versunken. Bevor es steil bergauf ging, legten wir noch eine, leider recht mückengeplagte aber aufbauende, Kaffeepause ein. Oben am Aussichtspunkt angekommen blickten wir auf eine eindrucksvolle, vergletscherte Landschaft. Wir beschlossen die Mittagspause nicht mehr lange hinaus zu zögern und fanden auch bald einen geeigneten Felsvorsprung direkt am Lago Dickson. Bei warmen Temperaturen, Kekse, Käse und Suppe verweilten wir wohlverdient und entspannt. Heute ist ja ein kurzer Wandertag und somit hatten wir keine Eile. 

Neben einem blumengezierten und moosbedeckten Bergbach schlugen wir diesesmal unser Zelt auf. Idyllischer konnte es nicht werden! Aber ja, das dachte ich schon so oft in den letzten 3 Tagen. Das Abendessen, Reis mit Instantnudeln und Suppenwürfel, sollte uns die nötige Kraft für den bevorstehenden Paßtag geben. Nun war nur mehr Rasten angesagt, die unzähligen Fotos bestaunen und Tagebuch schreiben bevor die Schlafsäcke bald dicht gemacht wurden.


Tag 4 | ca. 14km

Wir räumten zeitig unser Lager auf, packten zusammen und als wir losgingen, kamen auch schon die ersten Wanderer an unserem Platz vorbei. Im respektvollen Abstand starteten wir in den Tag. Am ersten Schneefeld angekommen folgte unweigerlich eine Schneeballschlacht! Als wir dann ausgepowered im Schnee saßen, wurde es uns erst bewußt. Vor uns lag der John Garner Paß und wir wußten sofort - die richtige Schlacht hat erst begonnen! Mit gesenktem Kopf machten wir uns auf und stapften hoch über ein langgezogenes Geröll- und Schneefeld. Es war sehr anstrengend! Mit ein paar mehr Trinkpausen und recht langsamen Tempo bin ich letztendlich doch auch angekommen. Kurz vor der Scharte warteten wir zusammen und überschritten triumphal den Paß. Ich konnte es kaum fassen, was uns da erwartete! Es eröffnete sich uns ein grandioser Blick auf den mächtigen Gletscher Grey! Wir sahen die gesamte Breite der Gletscherzunge und das eine Ende zu unserer Linken. Am anderen Ende, zu unserer Rechten, sah es aus, als wäre dahinter das Ende der Welt. Ein Bild das ich bis heute noch so real vor mir sehe! 

Obwohl der Hang windgepeitscht war, ließen wir es uns nicht nehmen bei diesem Anblick unsere Mittagspause einzulegen. Danach ging es über Stock und Stein, gefolgt von einem steilen Abstieg, dem Gletscher stetig näherkommend. Die Eistüme erscheinten größer und größer während sich das andere Ufer zunehmend entfernte. Mein Blick aus dem Zelt, etwas erhoben auf einem Hügel, war unbeschreiblich und fesselte mich den ganzen Abend! 

Tag 5 | ca. 10km

Strömender Regen am Morgen lud zum Faulenzen und Nachschlafen ein. Es tat gut auch einmal den Füßen etwas mehr Erholung zu geben. In Kuschelsocken und weitem Pyjama verbrachte ich Stunde um Stunde im warmen Schlafsack und erfreute mich am absoluten Nichtstun! 

Es wurde Nachmittag und Martin schon leicht nervös. Den Grund meines Daseins im Nationalpark nochmal in Erinnerung gerufen, überwand ich mich und kroch aus meinem Himmelbett zum Frühstück. Gestärkt packten wir unsere Sachen und siehe da - das Wetter besserte sich! Wir wanderten bereits im W Teil des Circuits. Die Leute am Weg wurden merklich mehr, aber mit den richtigen Pausenabständen konnte man sich den Weg leicht „freihalten“. Abends war Wäsche waschen im eiskalten Fluss angesagt, kochen und ein entspannender Abendspaziergang am Kieselstrand. 


Tag 6 | ca. 18km

Frühstück bei vorbeischwimmenden Eisbergen - eine etwas andere Art den Tag zu beginnen. Der morgentlichen Kreativität waren keinen Grenzen gesetzt und was wir nicht alles in diesen Skulpturen aus Eis erkennen konnten :-)

Zurück am Weg ließ uns der ständige Nieselregen zügig zum Refugio Grey wandern. Wir zögerten direkt hineinzugehen und kochten unser Mittagessen lieber am Seeufer. Grund genug doch in die Zivilisation einzutauchen war der niedrige Akkustand unserer Kameras. Mit ungewohntem Gefühl betraten wir das Refugio, bestellten Kaffee und luden unsere Akkus in der warmen Gästestube auf. Gar nicht mal so übel! 

Bei Wetterbesserung starteten wir los, um unser Tagesziel noch zu erreichen. Der Weg führte uns über hügelige Landschaft mit Blick auf türkis leuchtenden Seen auf der einen Seite, und steile Bergflanken mit Eis und Schnee auf der anderen Seite. Dieser ständige Kontrast im Blick macht diese Wanderung so spannend und faszinierend! Nach dem steilen Anstieg im Valley Francés erhob sich vor uns die monströse Bergwand des Paine Grande mit seinen Hängegletscher. Immer wieder stürzten riesige Eisstücke mit lauten Krawall herab - Welch' ein Spektakel für die Sinne!


Tag 7 | ca. 26km

Tagwache war um 05:00! Ich selbst hatte diesen spontanen Einfall - ich wollte den Sonnenaufgang am Mirador Britanico sehen. Was für eine glorreiche Idee, dachte ich, als der Wecker abging! Doch schnell verflogen die schlaftrunkenen Zweifel und Vorfreude machte sich breit. Im Dunklen wanderten wir mit Stirnlampe und Frühstück gewappnet zum Aussichtspunkt, etwa 1,5h entfernt. Beim Aufstieg fing es bereits an zu Dämmern. Als wir am Ziel ankamen, setzte sich die Wolkendecke langsam und gab immer mehr von der Aleta de Tiburón, zu Deutsch Haifischflosse, frei. Durch den Wind wurde der Nebel immer wieder aufgewühlt und wirbelte wellenartig in die Luft. Dieses Spektakel durften wir warm eingepackt mit einer heißen Tasse Kaffee in den Händen beobachten. Still saßen wir da, bis sich der ganze Bergkessel bei zarter Morgenröte präsentierte.

Zufällig entdeckten wir einen Wanderweg, der uns auf einen Art Paß führte. Vorbei an Schneefelder und über Geröll kletterten wir immer weiter hinauf. Als nach und nach die Steine durch eine Eisschicht rutschiger wurden, hielten wir inne und blickten zurück. Die gewonnene Perspektive auf den weiten Bergkessel in dem wir uns befanden, war atemberaubend!


Erschöpft kamen wir erst um 19:30 im nächsten Refugio an, stellten wie ferngesteuert das Zelt auf und nahmen eine heiße Dusche. Welch‘ ein Genuß! Gefühlt als ob neu geboren, gönnten wir uns noch ein 3 Gänge Menü. Geschlafen haben wir immer gut, aber diese Nacht definitiv wie ein Stein.

Tag 8 | ca. 21km

Weiter ging es wohlauf und mit getrockneter Wäsche in Richtung der berühmten Türme. Wir wanderten vorbei an der friedlichen Seenlandschaft des Lago Nordenskjöld mit zahlreichen Regenbogen zu unserer Rechten und den spitzen Bergen der Cuernos del Paine zu unserer Linken. Im gemütlichen Tempo erreichten wir den Eingang in die nächste Valley und marschierten so weit wie unsere Füße uns trugen einwärts. Nach unserem Abendmahl, eine riesen Portion Suppenspaghetti und ca. einem Liter Kakao, lagen wir flach. Die totale, aber glückliche Erschöpfung!

Der vergletscherte Paine Grande

Mein Kreativ-Schnappschuß während einem Abendspaziergang

Der Lago Nordenskjöld erstreckt sich über eine Länge von 15km und auf einer Fläche von 28km² 

Die berühmten Torres del Paine (zw. 2600-2850m hoch)

Tag 9 | ca. 15km

Trotz Regen und Sturm gingen wir in Richtung der Torres del Paine. Wie wir in den letzten Tagen gelernt haben, ändert sich das Wetter hier ständig. Das gab uns genug Hoffnung, um den etwa 45minütigen Aufstieg näher zu den 3 nadelartigen Granitberge auf uns zu nehmen. Und tatsächlich bekamen wir sie, zwar nicht klar aber immerhin in voller Größe, zu sehen! Wir bestaunen die zwischen 2600 und 2850m hohen Riesen in andächtiger Ruhe und in Gedanken an den gesamten Trek. Das letzte Fotoshooting folgte. Wir warteten zu bis uns das Wetter allmählich den Abschied erleichterte. Schnelleren Schrittes machten wir uns auf den Rückweg, raus aus der Valley. Trotz starken Sturmböen erreichten wir pünktlich die Busstation. Gutes Timing, dachte ich! Der Bus für die Abfahrt um 14:00 stand auch schon bereit, aber wie wir feststellen mußten, leider zu voll um uns mitzunehmen. Wir waren frustriert noch länger in der Kälte ausharren zu müssen. Ganze 2h später fuhr erst der Nächste! Doch dann erinnerten wir uns an die Reserve vom Geburtstag. Mit einem Grinsen packten wir nochmal den Camping-Kocher aus, bereiteten uns zum letzten Mal ein Mittagessen zu und stießen unter neidvollen Blicken auf unser unvergessliches Abenteuer an! 

Ich hab es tatsächlich geschafft! :)

DATEN & FAKTEN


Gebiet: Magallanes / Antártica Chilena  

Ausgangspunkt: 80km nördlich von Puerto Natales

Länge: 130km inkl. Abstecher

Mein Reisemonat: Januar

Dauer: 9 Tage

Übernachtung: Zelt

Schwierigkeit:  Fortgeschrittene

WISSENSWERTES & ERSTE SCHRITTE


Im "O" Teil sind sehr wenig Leute unterwegs, weswegen ich dort eine Wanderung alleine nicht empfehle

Limit für das "O" sind 80 Wanderer pro Tag  Wanderrichtung nur gegen den Uhrzeigersinn

Eintrittspreis muss in bar bezahlt werden

Hochsaison ist von 01.Oktober - 30. April


Hier geht's zur Anmeldung:  CONAF